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Magonien
- Eine Insel weit, weit im Süden
Sie kamen aus den Stürmen, auf fünf fliegenden Schiffen,
5 große Herrscher, Tempestarii, und unter ihnen einer, den
sie den Großen Navigator nannten. Vor vielen, vielen Jahrhunderten
ließen sie sich nieder, auf einer Insel, die ihnen Schutz
und Überleben bot, wo sie 5 vereinigte Provinzen gründeten:
Tempturien, Lorenien, Scorien, Taurien und Hrayland. Ihren Zusammenschluss
aber nannten sie Magonien. Ein jeder sollte über eine Provinz
gebieten und gemeinsam sollten sie im Rat unter Führung des
Großen Navigators die Geschicke der Insel bestimmen.
Die Provinzen blühten und gediehen und die fliegenden
Schiffe bereisten und erforschten fremde Länder. Das gesammelte
Wissen schrieb man in unzähligen mächtigen Buchbänden
nieder, die man in ihren Originalen in der alten Bibliothek der
heiligen Archive der Feste Agash-Khor aufbewahrte. Diese mächtige
Festung, die Residenz des großen Navigators und Herrschers
über Magonien, thronte auf einem hohen Felsen über der
stolzen Hauptstadt Morrigân, zugleich größte Stadt
und Mittelpunkt der Provinz Tempturien.
Das magonische Volk war damals vereint durch das Wissen um den
gemeinsamen mythischen Ursprung, die gemeinsame Sprache und die
gemeinsame Kultur. Jeder glaubte fest an die fünf Götter,
und es war jedem klar, dass ein jeder Bewohner der Insel nach seinem
Tode den langen Weg zurück in die alte Heimat antreten würde,
einen Ort, fern von Raum und Zeit, den die Ahnen einst verließen.
Die Provinzen waren eins, und doch hatte jede ihren ganz
persönlichen Glanz. Hrayland war das Tor zur bekannten Welt,
umrahmt von den majestätischen Bergen der Grauen Höhen
und der Düsterpfeiler. Die anderen vier Provinzen waren die
Säulen des Wohlstandes, von überwältigender landschaftlicher
Schönheit. Taurien mit den grünen, saftigen Wiesen, durchzogen
von kristallklaren Bächen aus den schneebedeckten Bergen kommend,
war schon immer für seine Viehzucht bekannt. Fleisch aus Taurien,
mit in Bergwerken gewonnenem Salz haltbar gemacht, war auf der ganzen
Insel begehrt. Zudem wurden viele feine Kleidungsstücke aus
taurischer Wolle hergestellt und überall verkauft. Scorien
lieferte Wildfleisch für die großen magonischen Städte,
von Jägern in den tiefen Wäldern erlegt, sowie guten Waldhonig
und wertvolle Heilkräuter. Doch vor allem für die edlen
Erze und deren kunstvolle Verarbeitung war diese Provinz schon immer
berühmt gewesen. Die tempturische Landschaft hingegen war geprägt
von goldgelben Feldern, durchbrochen von lichten Waldgebieten, einem
Paradies für die Sammler von leckeren Steinpilzen. Und auch
wenn die anderen Provinzen ebenfalls Weizen und anderes Getreide
anbauten, so wurde Tempturien doch zu Recht als die Brotkammer der
Insel bezeichnet. Lorenien für seinen Teil brachte einst das
Holz, welches von lorenischen Fluss-Schiffern über den mächtigen
Balladir und seine reißenden Stromstellen am Alboramischen
Tor hinweg bis nach Maranakar gebracht wurde, der großen magonischen
Hafenstadt in Hrayland. Dort wurden dann die prächtigen Karavellen
und später Galeonen gebaut, mit denen man die bekannten Handelshäfen
der damaligen Welt ansteuerte. Die Provinzen waren sich
trotz ihrer wirtschaftlichen Besonderheiten kulturell durch die
gemeinsame Geschichte und den engen Austausch stets sehr ähnlich
gewesen. So war es etwa schon immer Brauch gewesen, im Herbst, in
der Mitte des zehnten Monats, das Ellyrisfest zu feiern, in dem
den Göttern für das Geschenk der Ernte gedankt wurde.
In vielen Gemeinden wurde für drei Tage eine lange Festtafel
aufgebaut, die dann von jeder Familie des Dorfes mit Nahrung, Bier
oder ähnlichem gedeckt wurde. In den Abendstunden feierte man
dann ein gemeinsames Fest, mit Musik, Tanz und einem großen
Lagerfeuer. Und auch wenn in späteren Zeiten Dunkelheit und
Leid das Magonische Heimatland ereilten, so wurde dieses Fest stets
beibehalten und wird auch heute noch in allen Provinzen gleich gefeiert,
so als wäre die glorreiche Zeit niemals zu Ende gegangen.
Überdies gab es einst einen Gesetzesband, der in ganz
Magonien galt, die große Rechtssammlung „Lex Magonica“, von
der heute kein einziges Exemplar mehr existiert. Doch Bruchstücke
dieses Werkes sind für den, der sucht, noch in den heutigen
Gesetzeswerken der einzelnen Provinzen zu finden. So gilt etwa in
allen fünf Provinzen, dass wer noch genug Geld besitzt, um
sich einen Laib Brot und einen Krug Bier kaufen zu können,
nicht als Landstreicher belangt werden darf.
Jeder der Provinzfürsten nannte
damals eines der fliegenden Schiffe sein eigen, mit denen die Vorfahren
einst aus den Stürmen gekommen sein sollten. Nur selten aber
weilten die Fürsten selbst an Bord. Man sagt, die Schiffe flögen
in heftigen Stürmen, um sich vor neugierigen Augen zu verstecken,
selbst aber geschützt durch Zauber mächtiger Magier, die
sich ebenfalls auf den Schiffen befanden. Für jeden Adepten,
der in eine der magonischen Arkan-Akademien eintrat, war es Wunsch
und Ziel der mühseligen Studien, selbst einmal auf einem der
Schiffe seinem Fürsten zu dienen. Die Namen dieser Schiffe
finden sich selbst heute noch in vielen magonischen Geschichten
wieder: Die tempturische Lodur, die lorenische Velnia, die taurische
Rundas, die scorische Ennor und die hrayländische Portun.
Doch dann kamen die Zeiten, die man nur noch unter dem Namen
Dunkle Jahrhunderte kennt. Es heißt, dass die Velnia, das
Schiff des mächtigen Provinzfürsten, Novelor von Lorenien,
während einer ihrer Reisen tief im Sturm in den rauen Gewitterwolken
auf eine fliegende Insel stieß, den verdeckten Sternen so
nah. Alte Legenden berichteten von einem derartigen Ort, und manche
nahmen gar an, dass das magonische Volk selbst dereinst von dort
aufgebrochen sei, um eine neue Heimat zu finden.
Als die Besatzung sich aufmachen wollte, um den unbekannten
Fels zu erforschen, da fiel alles in tiefste Schwärze und in
der Dunkelheit erschien ihnen die Vision eines mächtigen alten
Drachen. Diese Insel, so das Wesen, sei die heilige Insel Djaiamelia,
die einst von den Göttern der Magonier in den Himmel erhoben
wurde, um dort ein heiliges Artefakt vor Feinden zu verbergen. Dieses
Artefakt, auch hiervon wussten die Gelehrten aus alten Legenden
zu berichten, mochte für den einen eine Karte der gesamten
Welt darstellen, ohnehin schon von unschätzbarem Wert. Für
Kundige fänden sich auf dieser Karte jedoch auch Portale und
eine Unzahl mysteriöser Orte, welche vielen von ihnen als Brücken
zu Göttern und anderen Welten galten. Diese heilige Reliquie,
so wurde gesagt, solle wieder in Menschenhand kommen, wenn die fliegende
Insel Djaiamelia auftauche, jedoch nur der „Große Tempestarius“
persönlich könne sie betreten. Allerdings war zum Zeitpunkt
der Entdeckung weder ein Tempestarius selbst an Bord, noch bekam
man weitere Hinweise, wer denn mit „Großer Tempestarius“ gemeint
sei. So flog das Schiff zurück und überbrachte diese Nachricht
dem Provinzfürsten von Lorenien, der daraufhin den damaligen
Großen Navigator, Toanand von Tempturien, bat, den Rat der
Tempestarii zusammenzurufen.
Doch noch nie war der Rat in derartiger Uneinigkeit zusammengekommen!
Der Navigator verlangte die Übergabe der Wegbeschreibung an
ihn, da er schließlich der große Navigator und Ratsführer
sei. Der lorenische Fürst Novelor, überrascht über
diese Ansprüche, berief sich auf sein Entdeckerrecht und die
restlichen Fürsten, Failon von Scorien, Isagar von Hrayland
sowie Berberand von Taurien, gemäß der Tradition, das
der Navigator zwar der Führer, aber nicht der Gebieter sei,
beharrten auf einer gemeinsamen Untersuchung, da auch sie mit dem
„Großen Tempestarius“ gemeint sein könnten. Der Streit
war groß, man überwarf sich und die Parteien verließen
voller Zorn den Ratssaal von Agash-Khor und kehrten Morrigân
den Rücken.
In der Hoffnung nun, das lorenische Schiff abfangen und sich
der Karten von der Lage der heiligen Insel bemächtigen zu können,
ließ der Navigator sofort sein fliegendes Schiff zum Auslaufen
vorbereiten und ging an Bord. Ebenso schickte sich der Fürst
von Lorenien an, auszulaufen, allerdings gleich zu dem mystischen
Eiland in den Wolken. Um nun den einen für seinen Egoismus,
den anderen für sein Beharren auf seinen Führungsanspruch
zu strafen, wurden die beiden Schiffe jedoch von jenen der anderen
Provinzfürsten angegriffen.
Es entbrannte eine heftige Schlacht in schwindelerregender Höhe,
in deren Folge sowohl das lorenische als auch das taurische Schiff
schwer beschädigt wurden und abstürzten. Der lorenische
Fürst Novelor kam dabei ums Leben und man sagt, dass beim Absturz
des Schiffes auch die Karten verloren gingen, die den Ort der Insel
Djaiamelia markierten. Der Bruder und Nachfolger des getöteten
Fürsten, voll Wut und Trauer über solchen Verlust, machte
für alles sowohl den Navigator wie auch alle anderen Tempestarii
verantwortlich. Ebenso starb Smoril, Bruder des Berberand von Taurien,
beim Absturz der Rundas, während Berberand selbst vor dem Absturz
des brennenden Wracks noch rechtzeitig von der hrayländischen
Portun gerettet werden konnte. So schwor man sich Rache für
Demütigung und angeblichen Verrat, in Windeseile wurden Heere
aufgestellt, die gegen die nunmehr verfeindeten Provinzen marschierten.
Und so wurde ein Krieg geführt, bei dem sich jeder im Recht
sah, ein Krieg welcher länger andauern sollte, als die erfahrensten
Kämpfer oder die größten Gelehrten es sich vorstellen
konnten, mit nach und nach oftmals wechselnden Allianzen. Was mit
den verbleibenden drei fliegenden Schiffen während der blutigen
und verlustreichen Kämpfe geschah, vermag niemand genau zu
sagen. Manche sind der Meinung, sie seien zerstört worden,
andere berichten, einigen sei schwer beschädigt die Flucht
aus den Kriegswirren gelungen. Sollte dies so sein, so weiß
niemand, wohin ihre Flucht sie führte.
Über Generationen hinweg wurde der Krieg geführt, mal
waren die Kriegswogen höher, mal waren sie niedriger, aber
niemals verstummte das Kampfgeschrei völlig.
Bis eines Tages ein neuer Herrscher den Thron in Tempturien
bestieg, Tarrago von Agash-Khor, nachdem sein Vater Colnyo, zerfressen
von Rache und verletztem Stolz, dahingeschieden war. Der neue Tempestarius
von Tempturien rief seine Truppen zurück und bat die verfeindeten
Tempestarii, Donran von Lorenien, Glanis von Scorien, Keremon von
Hrayland und Berond von Taurien, zu einem Treffen zusammenzukommen.
Diese waren zwar misstrauisch, jedoch kam das Treffen zustande.
Tarrago nun entschuldigte sich demütig und auch im Namen seines
Volkes für das eigenwillige Verhalten seines Ahnen, betrauerte
den gewaltsamen und unglückseligen Tod des alten lorenischen
Fürsten Novelor beim Absturz seines Schiffes und ebenso den
Verlust, den Taurien damals zu beklagen hatte. Dann bat er, den
Frieden wiederherzustellen.
Ergriffen von solcher Demut seines ehemaligen Erzfeindes akzeptierte
Donran von Lorenien das Friedensangebot und bat seinerseits bei
diesem und allen anderen Fürsten um Vergebung. Die Fürsten
akzeptierten - und der Krieg endete - nach vier Jahrhunderten!
Tarrago war weise und wollte ein vereinigtes Reich des Friedens
errichten. Und da er auch klug war, gestanden ihm die anderen Tempestarii
wieder den Titel des „Großen Navigator“ zu - obschon es natürlich
nichts mehr zum Navigieren gab, waren alle der fliegenden Schiffe
ja in den Kriegswirren verschwunden, und die paar holzwurmzerfressenen
Seelenverkäufer der magonischen Seeflotte verdienten den Begriff
Navigieren nicht.
Aber dieser Titel wurde nicht wirklich von Macht begleitet,
denn die Friedensbedingung war die Auflösung des Großteils
der tempturischen Armee, welche die mächtigste unter den Heeren
gewesen war. Zudem machte man das Fortschicken eines Teiles der
Heere aller Provinzen zur Auflage, um wieder Kontakt mit anderen
Völkern zu knüpfen und wie einst die Vorväter die
Welt zu erkunden, um das Wissen zu mehren, das nahezu vollständig
verloren war.
Da Magonien jedoch weit von der Küste des Festlands
entfernt lag und heftige Stürme den Weg zum Kontinent
schwer und gefährlich machten,beschloss man, eine Kolonie auf
dem Festland zu gründen. Und so wurden Soldaten der magonischen
Heere und jener, die sich der Sache anschlossen, ausgesandt, um
zu erkunden und Kontakte zu knüpfen.
Und in der Tat, das Reich bedarf neuer Handelspartner, Verbündeter
undhelfender Hände und Köpfe, welche Magonien zu altem
Glanz und Frieden führen können. Zudem, wer weiß,
vielleicht findet sich ja in alten Archiven die eine oder andere
Kunde von fliegenden Schiffen, die dereinst gesichtet wurden, oder
von Flüchtlingen einer weit entfernten Insel namens Magonien,
die in Kriegen verwüstet wurde? Oder gar Teile der sagenumwobenen
Formel zum Schutz vor den Stürmen, die immer noch oft über
der Insel wüten?
Noch ist der Friede sehr brüchig, denn in dem nun wieder
neu entstandenen Zusammenschluss der vereinigten magonischen Provinzen
herrscht immer nochMisstrauen. Zu lange währte der Krieg, zu
viele fanden den Tod, zu tief schmerzen alte Wunden. Und schon gar
nicht jeder ist mit der Ernennung des tempturischen Herrschers zum
Großen Navigator einverstanden! Viel Unmut brodelt im Volk,
Unmut gegen die eigenen Herrscher, die sich auf eine solche Friedensregelung
eingelassen haben, Unmut gegen andere Provinzen, Unmut gegen Morrigân.
Und auch Tempturien, als größte und mächtigste
Provinz, wankt. Ein Großteil des tempturischen Heeres wurde
aufgelöst oder aufs Festland geschickt, um dort den Aufbau
der Kolonie, welche den Namen Renascân trägt, voranzutreiben.
So stehen nun auch Truppen anderer, nunmehr verbündeter Provinzen
in Tempturien, um dort für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Allein Morrigân selbst wird noch von einem mächtigen
Aufgebot der tempturischen Garde bewacht. Und so haben auch die
anderen vier Provinzfürsten ein schweres Los zu tragen, sind
sie sich in ihrem Handeln der Unterstützung der eigenen Leute
nicht sicher, und müssen gleichzeitig Truppen stellen, um Tempturien,
den ehemaligen Feind, vor dem Unmut mancher zu beschützen.
Was die Zukunft bringen wird ist unsicher, ebenso unsicher, wie
der Friede, der nun endlich herrscht. Nur eines ist sicher: Es gibt
nur einen Weg, der Magonien in die Zukunft führen wird und
auf dem die Hoffnungen aller ruhen, ein Vorhaben, das die Anstrengungen
aller Magonier eint und so vielleicht auch die Seele des Landes
einen kann: Der Verbindung zum Kontinent: Die vereinigt-magonische
Festlandspräfektur Renascân!

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